Rund 100 Teilnehmende trafen sich zur öffentlichen Veranstaltung von RechtGrün in Karlsruhe. Darunter waren namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus allen Bereichen der Justiz, wie für die Gerichte die Richter des Bundesverfassungsgericht Professorin Dr. Susanne Baer, Professor Dr. Reinhard Gaier und Ulrich Maidowski sowie die Präsidentin des Bundesgerichtshofs, Bettina Limperg, für die Justizverwaltung die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz und der thüringische Justizminister Dieter Lauinger, für die Rechtsanwaltschaft Rechtsanwalt Michael Then aus dem Präsidium der BRAK, der Rechtspolitik, wie Professor Dr. Reinhard Greger, sowie aus dem Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung. Mitglieder des Deutschen Bundestags, Sylvia Kotting-Uhl, und des baden-württembergischen Landtags, Dr. Gisela Splett, zugleich Staatssekretärin im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur in Baden-Württemberg und Alexander Salamon waren ebenso anwesend wie der Richter am Oberlandesgericht Jörg Tillmanns und die rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Katharina Raue aus dem Vorstand von RechtGrün sowie der Geschäftsführer des Vereins, Lukasz Batruch.
Die Vorsitzende von RechtGrün, Katja Keul, begrüßte die Versammlung und erinnerte an die Gründung des Vereins vor eineinhalb Jahren am Rande des Juristentages in Hannover im September 2014. Es gehe darum, der Rechtspolitik eine laute und vernehmbare Stimme zu geben – gerade auch im grünen Spektrum. Nicht nur im Parlament, sondern auch in der Justiz sei eine höhere Wertschätzung dringend erforderlich. Die Bedeutung einer funktionierenden Justiz dürfe in einem Rechtsstaat keinesfalls an den Kosten fest gemacht werden. Grüne und Rechtspolitikerinnen hätten immerhin gemeinsam, dass sie meist in der Minderheit seien und müssten schon von daher zusammenhalten, fügte sie augenzwinkernd hinzu. Beim Versuch zusammenzubringen, was zusammen gehört, habe man immer wieder überrascht festgestellt, wie viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter sich in den Tiefen der Praxis verbergen, die teilweise heimatlos nach einem Anknüpfungspunkt suchten, um endlich aus der Deckung zu kommen. Genau dieser Anknüpfungspunkt wolle RechtGrün sein.
Das erste Panel stand unter dem Titel „Alternative Streitbeilegung in Deutschland“. Die Präsidentin des Bundesgerichtshof, Bettina Limperg, äußerte die Sorge, dass das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz eine Konkurrenz zur staatlichen Gerichtsbarkeit darstellen könne. Ein solches Parallelsystem zur staatlichen Gerichtsbarkeit könne dazu führen, dass Verbraucherrechte nicht ausreichend gewahrt werden. Auch stelle sich die Frage nach der Transparenz solcher Stellen.
Auch die Justizministerin von Niedersachsen, Antje Niewisch-Lennartz, sah Schlichtungsstellen als eine Herausforderung für die Justiz. Wenn die Eingangszahlen an den Gerichten zurück gingen, stelle sich die Frage, was Justiz besser machen könne. Unabhängig von den Schlichtungsstellen sei die eigenverantwortliche Konfliktlösung durch Mediation eine wichtige Ergänzung des rechtsorientierten Konfliktlösungsprogramms.
Aus Sicht von Dieter Lauinger, Justizminister in Thüringen, besteht der Vorteil von Schlichtungen oder Mediationen darin, dass es am Ende eines Rechtsstreits nicht unbedingt Sieger und Verlierer geben muss. Damit würde ein weiterer Rahmen für eine echte Konfliktbeilegung gelegt werden können. Allerdings müsse es klare Regelungen für die Schlichtung geben, einschließlich rechtsstaatlicher Garantien.
In die Diskussionsrunde, die in Form des „Fischbowl-Verfahrens“ geführt wurde, konnte sich auch das Publikum einbringen. Diese Gelegenheit ergriffen die Leiterin der Schlichtungsstelle der Anwaltschaft, Monika Nöhre, der Versicherungsombudsmann Professor Dr. Günter Hirsch, die Mediatorin Dr. Katarzyna Schubert-Panecka, sowie der Präsident des Landesarbeitsgerichts Eberhard Natter.
Zusammenfassend konnte Moderatorin Ingrid Hönlinger, Vorsitzende von RechtGrün e.V., feststellen: „Die Justiz sollte an ihrer Verbesserung arbeiten, aber wo die außergerichtliche Streitbeilegung besseres zu leisten vermag, sollte sie gefördert werden.“
Das zweite Panel stand unter der Überschrift „Alternative Streitbeilegung auf internationaler Ebene“.
Dr. Helene Bubrowski, Redakteurin bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung, sprach sich für internationale Schiedsgerichte – auch im Rahmen von TTIP – aus. Aus ihrer Sicht führen diese zu einer Verrechtlichung des internationalen Raumes. Sie drängten das Recht des Stärkeren zurück. Staatliche Gerichte hätten in internationalen Streitfällen „keine neutrale Funktion“. Politische Einflussnahmen seien zu befürchten.
Diese Einschätzung teilte Professor Dr. Stephan Wernicke, der Chef-Justiziar des Deutschen Industrie und Handelskammertages. Er sieht in Schiedsgerichten ebenfalls eine Verbesserung der internationalen Rechtslage.
Demgegenüber schilderte die Bundestagsabgeordnete Renate Künast, Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages, die problematischen Seiten speziell der TTIP-Verhandlungen und der darin enthaltenen Schiedsgerichtsbarkeit. Neben demokratisch verfassten Regelungen würden mit solchen Verträgen parallel neue Verfahren aufgebaut. Eine Schieflage liege vor, da Investoren vor Schiedsgerichten gegen Staaten klagen könnten, die wiederum Recht setzten ohne den gleichen Auslegungsmaßstab zu haben wie europäische oder nationale Rechtsprechung. Hier stelle sich zudem die Frage, warum beispielsweise Verbände, wie der Nabu oder Verbraucherschutzverbände, dies nicht tun dürften. Es sei wesentlich sinnvoller, internationale Rechtsstreitigkeiten im Rahmen der UNO zu regeln. Hier könnten Werte, wie Menschenrechte, soziale Schutzvorschriften oder ökologische Standards, Berücksichtigung finden.
In der Fishbowl-Diskussion meldeten sich der BGH-Anwalt Professor Hilmar Raeschke-Kessler, der Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Umweltministerium, Dr. Thomas Griese, Dr. Christiane Rohleder aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz sowie der BGH-Richter Dr. Claudio Nedden-Boeger, zu Wort.
Nach einer lebhaften Diskussion stellte Moderator Jürgen Filius, rechtspolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, fest: „Dringend notwendig zur Sicherung von Standards sind Schiedsgerichte nicht. Es wäre sinnvoller, die internationale Rechtsetzung im Rahmen der bestehenden globalen Organisationen voranzubringen.“
Vertieft wurden die zahlreichen Gedankenansätze bei Sekt und Selters beim anschließenden Empfang.
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