Debattenbeiträge

 

Hier finden Sie verschiedene Debattenbeiträge

 

Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte

Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte

Die Wahl von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern erfolgt in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Bestenauslese (Artikel 33 Absatz 2 GG) und dem Erfordernis der demokratischen Legitimation (Artikel 95 Absatz 2 GG). Diesem Spannungsverhältnis muss eine Reform der Bundesrichterwahl  gerecht werden. Dazu müssen wir schon vor der Erstellung von Vorschlagslisten ansetzen.

Bisher gibt es weder konkrete Anforderungsprofile für die Kandidatinnen und Kandidaten, noch können sie sich aktiv auf eine Stelle an einem Bundesgericht bewerben. Ins Auswahlverfahren einbezogen werden nur vom Wahlausschuss oder Justizministerium vorgeschlagene Personen. Das intransparente Verfahren hat Folgen: Konkurrentenabwehrklagen anderer Richterinnen und Richter häufen sich und die Besetzung der Stellen an den Bundesgerichten verzögert sich.

Wir haben in einem Antrag unsere Vorschläge formuliert, wie das System der Wahl zu den obersten Bundesgerichten nachvollziehbarer und transparenter gestaltet werden kann und wie wir gleichzeitig die Chancengleichheit für Frauen fördern können. Lesen Sie den Antrag hier: Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte

Gesetzentwurf zur Streichung des §103

Gesetzentwurf zur Streichung des §103

Lesen Sie den Grünen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Streichung des Majestätsbeleidigungsparagrafen hier

Bundeswehreinsatz in Syrien

Bundeswehreinsatz in Syrien

Am 30.11.2015 schreibt Katja Keul zum geplanten Bundeswehreinsatz in Syrien:

Planlos, sinnlos, rechtlos: Der geplante Bundeswehreinsatz in Syrien

Nachdem bereits beim Einsatz im Nordirak die vom Grundgesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen für einen Bundeswehreinsatz ignoriert worden sind, wird mit dem Einsatz in Syrien auch die weitere Hürde des Völkerrechts abgeräumt.

Bislang hat sich die Bundesregierung immer von der amerikanischen Sichtweise eines „war on terror“, der zu einem weltweiten beliebigen Einsatz militärischer Mittel, also zum unbegrenzten Krieg, berechtige, distanziert.

Indem aber jetzt Art. 51 der UN-Charta (Selbstverteidigung) herangezogen wird, um auf einen Terrorakt innerhalb Europas mit militärischen Mitteln zu reagieren, gibt die Bundesregierung diese Haltung auf und schwenkt auf einen Kurs ein, der nicht mehr als Auslegung, sondern nur noch als Bruch von Völkerrecht bezeichnet werden kann.

In der Konsequenz würde jeder Staat künftig selbst entscheiden, wo und wann er einen kriminellen Akt für schlimm genug hält, um darauf mit kriegerischen Mitteln zu reagieren und das Gewaltmonopol der UNO außer Kraft zu setzen.

Der Mainstream lautet nun: eine Rechtsgrundlage wäre ganz schön, aber wenn es ernst wird, kann man sich nicht durch rechtliche Argumente hindern lassen. Das ist der Abschied vom Konsens der Völkergemeinschaft nach 1945, wonach Krieg nur durch die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen vermieden werden kann und muss.

Manche glauben auch, auf eine Rechtsgrundlage könne es nicht ankommen, wenn es wenigsten eine gemeinsame Strategie gäbe. Sie verkennen, dass die fehlende Rechtsgrundlage nichts weiter ist als das dokumentierte Fehlen einer gemeinsamen Strategie. Gäbe es eine gemeinsame Strategie, wäre sie im Sicherheitsrat beschlossen worden.

Die Mütter und Väter der UN-Charta haben sich die Normen nicht einfach so ausgedacht, sondern aus der Erfahrung verheerender Vernichtung heraus formuliert. Gesichtswahrung und missverstandene Solidarität standen schon zu oft am Beginn verheerender Kriege. Statt dieser Logik zu widerstehen und die UN-Charta zu verteidigen, gibt nun auch die Bundesregierung ihren Widerstand dagegen auf.

Wer aber die Verfassung und das Völkerrecht im Angesicht großer Betroffenheit wie eine lästige juristische Formalie betrachtet, gibt der Spirale aus Gewalt und Gegengewalt einen Freiraum, den er selbst nicht mehr begrenzen kann.

Zu den Rechtsgrundlagen im Einzelnen:

UN-Charta:

Die UN-Resolution 2249 vom 20.11.2015 fordert alle Staaten auf, im Rahmen des Völkerrechts alle notwendigen Mittel zu ergreifen, um terroristische Handlungen zu verhüten und den sicheren Zufluchtsort zu beseitigen, den der IS in erheblichen Teilen Iraks und Syriens geschaffen habe.

Dennoch fehlt die ausdrückliche Autorisierung von Gewaltanwendung und der dafür unverzichtbare Bezug auf Kapitel VII der UN-Charta.

Der Verweis auf das Völkerrecht durch das Gremium, das im Rahmen seiner Zuständigkeit selber Völkerrecht setzen kann, macht zusätzlich deutlich: der Sicherheitsrat hätte die Möglichkeit gehabt, Gewaltanwendung zu autorisieren, und hat es dennoch nicht getan.

Russland hatte einen eigenen Vorschlag vorgelegt, wonach die Lufteinsätze mit Einverständnis der syrischen Regierung hätten erfolgen können. Auf dieser Grundlage agiert die russische Luftwaffe seit Ende September. Als man sich darauf nicht einigen konnte, hat die russische Seite ihren Entwurf zugunsten der französischen Vorlage zurückgezogen.

Diese Kooperation macht deutlich, dass der Sicherheitsrat keinesfalls blockiert wäre, wie manche behaupten, sondern durchaus handlungsfähig ist.

Die amerikanischen Lufteinsätze wurden seinerzeit von der syrischen Regierung ebenfalls begrüßt mit der Bedingung, dass diese mit Ihr koordiniert würden. Diese Bedingung haben die Amerikaner zwar brüsk zurück gewiesen. Dennoch ist davon auszugehen, dass eine solche Koordinierung tatsächlich stattgefunden hat, da anderenfalls das Agieren im syrischen Luftraum schlicht nicht möglich gewesen wäre.

Untragbar ist die Berufung auf Art. 51 UN-Charta. Die Selbstverteidigung kann nur gegen den Angreifer gerichtet sein und einen gegenwärtigen Angriff abwehren.

Wer die Angreifer von Paris gesteuert hat, ist im Einzelnen noch zu ermitteln. Sicherlich war es nicht der syrische Staat. Anders als nach 9/11 gibt es auch in der jetzigen Resolution 2249 keinerlei Bezug auf Art. 51                   (so auch Prof. Reinhard Merkel, FAZ 19.11.)

Nichts ist gefährlicher für das System der kollektiven Sicherheit nach der UN-Charta und damit für den Weltfrieden als eine staatliche Befugnis zur militärischen Gewalt, die sich nicht mehr als Selbstverteidigung gegen akute Angriffe, sondern darüber hinaus als Gefahrenvorsorge für die Zukunft versteht.

 

Grundgesetz:

Verstößt ein Militäreinsatz gegen das Völkerrecht, ist er automatisch immer auch verfassungswidrig, weil das Grundgesetz eine strikte Bindung an das Völkerrecht vorsieht.

Darüber hinaus schreibt Art. 24 GG fest, dass die Bundeswehr im Ausland jenseits der Selbstverteidigung nur im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit tätig werden darf.

Ohne UN-Mandat ist dies nicht der Fall und der Militäreinsatz ist daher ebenso verfassungswidrig wie der Einsatz im Nordirak.

 

Art 42 Lissabon-Vertrag

Die EU ist weder ein Militärbündnis, noch ein System kollektiver Sicherheit!  (so auch Röttgen in FAZ, 28.11.)

Nach Art. 42 VII Lissabon-Vertrag sind die Mitglieder verpflichtet, sich im Fall eines bewaffneten Angriffs gegenseitig alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung zu leisten.

Zunächst einmal sind die Attentate von Paris als verbrecherische Akte krimineller Akteure einzuordnen und kein bewaffneter Angriff mit militärischen Mitteln, so dass schon aus diesem Grund keine militärischen Maßnahmen geschuldet sind.

Darüber hinaus wären diese Angriffe nicht mehr gegenwärtig. Das allerdings wäre weitere Voraussetzung, um das Selbstverteidigungsrecht angegriffener Staaten auszulösen.

Das Selbstverteidigungsrecht zum Krieg außerhalb der Kontrolle und ohne Autorisierung durch den Sicherheitsrat wird nur im engen Rahmen eines akut gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Angriffs gewährt. Darüber besteht im Völkerrecht Einigkeit.

Die Beistandspflicht des Art. 42 LV wird aber ausdrücklich „im Einklang mit Art. 51 der UN-Charta“ gewährleistet.

Die EU ist außerdem kein Militärbündnis, da sonst die neutralen Staaten wie bspw. Österreich gar nicht hätten Mitglied werden dürfen. Das war auch Konsens unter den Vertragsschließenden.

Es ist besonders verheerend, wenn ausgerechnet jetzt in Krisenzeiten, den bislang unberechtigten Unterstellungen linker Gegner des Lissabon- Vertrages im Hinblick auf eine Militarisierung der EU Vorschub geleistet wird.

Immerhin macht sich der Außenminister diese Auslegung auch nicht zu eigen. Nach seiner Aussage in der Sonderfraktionssitzung der grünen Bundestagsfraktion soll der Lissabon-Vertrag hier nicht als Grundlage für militärische Interventionen heran gezogen werden.

 

Sicherheitspolitische Argumente:

Am Ende sind alle militärischen Einsätze, die jenseits einer abgestimmten Strategie der internationalen Gemeinschaft erfolgen, kontraproduktiv, weil sie sinnloser Gewalt weitere sinnlose Gewalt entgegensetzen, um die eigene Hilflosigkeit zu kaschieren.

Jeder scheinbare Erfolg gegen den IS in Syrien führt nur zu einem Ausweichen in den libyschen Rückzugsraum. Wer mit tunesischen Sicherheitspolitikern spricht, weiß, was das für deren Land bedeutet.   Einem Angriff des IS aus Libyen könnte die tunesische Armee schlicht nicht standhalten. Libysche Beobachter berichten, dass der IS aus der Luft mit Waffen versorgt wird, und zwar mit modernstem amerikanischen Material, von dem die tunesischen Streitkräfte nur träumen können.

Unkoordinierte Bombardierungen sind keine Strategie gegen den IS.

Im Gegenteil: bislang hat der IS jede Bombardierung zum Anlass genommen, beim jeweiligen Akteur Anschläge zu begehen. Seit Ende September fliegt Russland Luftangriffe und Ende Oktober erfolgte der Anschlag auf das russische Passagierflugzeug über dem Sinai.

Die Franzosen bombardieren ebenfalls seit September 2015. Es wäre naiv zu glauben, dass sich die Anschlagsgefahr in Deutschland durch ein militärisches Eingreifen nicht substantiell erhöhen würde. Hinzunehmen wäre dieses Risiko aber allenfalls dann, wenn es der Preis für irgendeine Aussicht auf Erfolg wäre.

Nach der jetzigen Lage wäre der Preis schlicht umsonst gezahlt.

Es führt kein Lösungsweg an einer Einigung im Sicherheitsrat vorbei.

Die deutsche Bundesregierung muss deutlich machen, dass sie dann und nur dann zu einer militärischen Unterstützung bereit ist. Hier muss sie jetzt ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen! Wenn sie jetzt dem Druck für einen Kriegseinsatz nachgibt, gibt es niemanden mehr, der glaubwürdig Druck für eine Einigung im Sicherheitsrat aufbauen kann.

Die Verhandlungen über die Resolution 2249 haben gezeigt, dass die Akteure durchaus kooperationsfähig sind. Jetzt gäbe es eine große Chance, den Sicherheitsrat als Inhaber des globalen Gewaltmonopols zu stärken, anstatt über die illegitime Ausdehnung des Art. 51 UN-Charta die Grundlagen des Völkerrechts insgesamt zu unterminieren.

Die Bundesregierung muss darauf bestehen, dass eine Koordinierung der militärischen Aktionen, mithin eine gemeinsame Strategie der internationalen Gemeinschaft gefunden und im Sicherheitsrat beschlossen wird, bevor sie sich an militärischer Gewalt beteiligt.

Welche gravierenden Folgen ein unabgestimmtes Agieren verschiedener Akteure im syrischen Luftraum haben kann, haben wir gerade erst beim Abschuss des russischen Flugzeuges durch die Türkei erlebt.

Was den IS hingegen wirklich getroffen und verunsichert hat, ist die Willkommenskultur gegenüber den muslimischen Flüchtlingen. Diese Verhaltensweise des verteufelten Westens stellt die eigene  Existenzberechtigung des Islamischen Staates in Frage und wirkt bedrohlicher als jede Bombe. Eine gemeinsame Strategie sollte daher auch diesen Aspekt nicht aus den Augen verlieren.

„Strafrecht zwischen Symbolpolitik und Ultima Ratio“

„Strafrecht zwischen Symbolpolitik und Ultima Ratio“

zur Diskussion  „Strafrecht zwischen Symbolpolitik und Ultima Ratio“ am 30. April 2015 in Berlin

Katja Keulvon Katja Keul, MdB

1. These
Wir leben in Zeiten gefühlter Unsicherheit. Der nächste Terroranschlag scheint nur eine Frage der Zeit. Der Staat steht unter politischem Druck zu zeigen, dass er etwas tut gegen diese Unsicherheit, und das tut er auf dem einfachsten Wege: ein Weg, der erstmal kein Geld kostet: wir erweitern und verschärfen Straftatbestände. Nicht etwa, weil sich unsere Vorstellungen von strafbarem Unrecht geändert hätten, sondern rein zur Gefahrenabwehr.

Es verschwimmen die Zuständigkeiten von Strafrecht und Polizeirecht, von Prävention und Repression. Nicht mehr der Unrechtsgehalt einer Tat ist maßgebend für die Frage, welche Mittel zur Ahndung möglich sind, sondern umgekehrt: um die Ermittlungen zu ermöglichen, werden neue Unrechtstatbestände definiert. So erhöhen wir bspw. den Strafrahmen, damit wir den Verdächtigen einer Vorbereitungstat auch schon in Untersuchungshaft nehmen können, obwohl sich die Legitimation von Haft vielmehr nach dem Unrecht richten müsste. Wer das Strafrecht zum Mittel des Polizeirechts degradiert, stellt den Rechtsstaat auf den Kopf!

2. These
Die Dominanz des Sicherheitsdenkens vernebelt zunehmend den eigentlichen Kern des Strafrechts: die Benennung und Ahndung von in der Vergangenheit begangenem individuellen Unrecht als ultima ratio der staatlichen Sanktionen. Dieser Dominanz etwas entgegen zu setzen, ist die Aufgabe der Rechtspolitik.

Nicht umsonst hat man sich in unserem Rechtsstaat für die Trennung von Innen- und Justizressort entschieden: damit Recht und Freiheit nicht dem Sicherheitsbedürfnis zum Opfer fallen. Am Verhältnis zwischen Innen und Justiz können wir so den Zustand unserer Republik ablesen. Wo die einen für Sicherheit zuständig sind, sind die anderen berufen, Recht und Freiheit zu verteidigen. Die Information darüber, dass die Mehrheit der Landesinnenminister für die Vorratsdatenspeicherung sind, ist daher nicht entscheidend. Dass die Justizminister dazu nicht befragt werden, entlarvt den Berichterstatter.

 

Einigkeit durch Recht zur Freiheit

Einigkeit durch Recht zur Freiheit

Einigkeit durch Recht zur Freiheit – Katja Keuls Beitrag zur grünen Freiheitsdebatte

Ein Leben in Frieden und Freiheit ist das Grundbedürfnis der Menschheit. Legitime politische Verantwortung hat sich daher immer grundlegend an diesen Werten auszurichten. Aber wie stehen diese Ziele zueinander? Reicht es wenn sich in einer Demokratie eine Partei zur Friedenspartei, eine zur Freiheitspartei und eine zur Gerechtigkeitspartei erklärt und die dann eine Koalition eingehen? Kann man einen dieser Grundwerte zum Programm erklären ohne die anderen zu verleugnen? Wie stehen zum Beispiel Frieden und Freiheit zueinander?

Frieden ist nicht einfach nur Abwesenheit von Krieg.  Das dürfte bereits dem Autor unsere Nationalhymne im vorletzten Jahrhundert klargewesen sein, als er die „Einigkeit“ nach vorne stellte. Frieden kann es nicht ohne Freiheit geben, denn ohne Freiheit ist allenfalls Sicherheit denkbar. Frieden und Sicherheit sind aber was sehr unterschiedliches. Wer die totale Sicherheit anstrebt wird auf die Freiheit verzichten müssen und niemals Frieden erreichen.

Aber auch wer die Freiheit verkürzt als Abwesenheit von Zwang definieren will wird nicht weit kommen in seinem Freiheitsstreben. Freiheit ist immer definiert durch die Grenzen der Freiheit des anderen, mich in meiner Freiheit zu beschneiden.  Diese Grenzen immer wieder neu zu justieren und auszubalancieren ist die Aufgabe des Rechts. Nicht umsonst ist die Legislative die erste Gewalt in einem demokratischen Rechtsstaat. Das Setzen von Recht ist keine technische, sondern die politischste Angelegenheit überhaupt, bei der die Verantwortung für die Gesamtheit mit den Bedürfnissen des Einzelnen in Einklang zu bringen ist.Erst die Rechtsetzung ermöglicht damit Freiheit, in dem sie die Grenzen der Freiheit gestaltet. Freiheit als politisches Programm läuft ins Leere, wenn es nicht durch konkretes Recht umsetzbar wird.  Das gilt unabhängig davon, ob es um die klassischen Freiheitsrechte im Verhältnis Bürger zu Staat geht ( Grundrechte), um den Schutz des Friedfertigen vor dem Gewalttätigen (Strafrecht) des schwächeren Vertragspartner vor dem stärkeren (Verbraucherschutz) oder dem Schutz künftiger Generationen vor der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen durch die heutige Generation.

Die Kernaufgabe des Parlaments in der Demokratie ist es nicht allgemeine gesellschaftliche oder philosophische Debatten zu führen.  Hierzu sind andere Teile der Zivilgesellschaft (einschließlich der Parteien) berufen. Das Parlament aber muß sich seiner Bedeutung und Verantwortung als Rechtssetzungsorgan bewußt sein, damit Freiheit durch Recht erst möglich wird. Weil wir in Deutschland heutzutage Gefahr laufen Frieden und Freiheit als selbstverständlich voraus zu setzen, neigen wir auch dazu das Recht zu unterschätzen. Ein Blick über den Tellerrand macht uns schnell deutlich: Gesetzlosigkeit ist der größte Feind der Freiheit und damit auch des Friedens.Nicht umsonst ringen die Völker auf ihrem Weg zu Frieden und Freiheit oft als erstes um die justizielle Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und dann das Abfassen einer Verfassung.

Und so wie der Nationalstaat durch seine Rechtssetzung den inneren Frieden gewährleisten muß, so wird auch der Frieden zwischen den Völkern und Nationen nur dann gelingen, wenn wir uns darauf einigen unsere Freiheit nicht länger auf Kosten der anderen auszuleben. Schon der Gründung der Vereinten Nationen lag die Erkenntnis zur Grunde: der Weg zum Frieden führt zwangsläufig über die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen.

Deshalb gilt international wie national: Wer  Frieden und Freiheit stärken will muss das Recht ins Zentrum seines politischen Handelns stellen.

Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Misshandlung und Vergewaltigung, §177

Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Misshandlung und Vergewaltigung, §177

Am 11. Mai 2011 hat Deutschland die Istanbul-Konvention des Europarates unterschrieben. Sowohl das Fachgespräch am 26. November 2014 als auch die Anhörung im Rechtsausschuss am 28. Januar 2015 haben bestätigt, dass es Schutzlücken im deutschen Recht gibt. Um diese Schutzlücken zu füllen, hat die Grüne Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, der am 1. Oktober 2015 beraten wurde.

Hier können Sie den Gesetzentwurf lesen: https://dip21.bundestag.btg/dip21/btd/18/053/1805384.pdf

Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte

Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte

Die Wahl von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern erfolgt in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Bestenauslese (Artikel 33 Absatz 2 GG) und dem Erfordernis der demokratischen Legitimation (Artikel 95 Absatz 2 GG). Diesem Spannungsverhältnis muss eine Reform der Bundesrichterwahl  gerecht werden. Dazu müssen wir schon vor der Erstellung von Vorschlagslisten ansetzen.

Bisher gibt es weder konkrete Anforderungsprofile für die Kandidatinnen und Kandidaten, noch können sie sich aktiv auf eine Stelle an einem Bundesgericht bewerben. Ins Auswahlverfahren einbezogen werden nur vom Wahlausschuss oder Justizministerium vorgeschlagene Personen. Das intransparente Verfahren hat Folgen: Konkurrentenabwehrklagen anderer Richterinnen und Richter häufen sich und die Besetzung der Stellen an den Bundesgerichten verzögert sich.

Wir haben in einem Antrag unsere Vorschläge formuliert, wie das System der Wahl zu den obersten Bundesgerichten nachvollziehbarer und transparenter gestaltet werden kann und wie wir gleichzeitig die Chancengleichheit für Frauen fördern können. Lesen Sie den Antrag hier: Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte

Wiederaufnahmegründe

Wiederaufnahmegründe

Renate Künast hat im Strafverteidiger, 2015, Heft 11, im Editorial geschrieben:

Keine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe zuungunsten des Angeklagten!

Die furchtbare Geschichte der Frederike von Möhlmann war in den vergangenen Wochen oft in Zeitungen zu lesen; im Alter von 17 Jahren wurde sie im November 1981 getötet. Ein Tatverdächtiger wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Der BGH hob das Urteil auf und schließlich wurde der Mann freigesprochen. 30 Jahre später konnten DNA-Spuren in einem damals sichergestellten Kleidungsstück des Mädchens identifiziert und dem Freigesprochenen zugeordnet werden. Ein neues und schwer wiegendes Indiz, das für seine Täterschaft spricht. Wäre es da nicht richtig, ja geradezu zwingend, den Fall wieder aufzunehmen?

Schon oft wurde diskutiert, ob § 362 StPO, der die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten regelt, ein weiterer Wiederaufnahmegrund hinzugefügt werden müsse (vgl. statt vieler Pabst ZIS 2010, 126). Zuletzt legte 2007 der Bundesrat einen Entwurf vor (BR-Drs. 655/07 [= BT-Drs. 16/7957]). Bereits die existierenden Wiederaufnahmegründe des § 362 StPO stellen eine Durchbrechung des Verbotes der Mehrfachverfolgung dar. Er ist äußerst restriktiv auszulegen, denn es folgt aus der Menschenwürdegarantie, dass die formale Rechtssicherheit den Vorrang vor der materiellen Rechtmäßigkeit erhält. Andernfalls stünden Bürger stets unter dem Damoklesschwert einer erneuten Strafverhandlung und würden somit zum Objekt staatlicher Gewalt.

Ein gesetzgeberischer Eingriff an dieser Stelle des Strafprozessrechts wäre keine bloße Korrekturmaßnahme: Ein Freispruch würde praktisch wertlos. Plötzlich wären Angeklagte absurderweise bemüht, alle sie belastenden etwaigen Beweismittel in das Verfahren einzubringen – von Waffengleichheit wäre keine Rede mehr. Auch würde der Grundsatz der freien Beweiswürdigung durchbrochen, wenn davon ausgegangen würde, dass eine DNA-Spur immer zweifelsfrei einen Täter überführt. Zudem wäre das Rückwirkungsverbot verletzt, da durch eine Erweiterung des § 362 StPO eine Strafbegründung durch Prozessrecht geschaffen würde. Altfälle, die man nun mit den Möglichkeiten der DNA-Untersuchung glaubt lösen zu können, wären demnach ohnehin nicht betroffen. Es ist kaum zu ertragen, wenn ein Mensch, der einen anderen Menschen ermordet hat, dafür keine rechtsstaatlichen Konsequenzen tragen muss. Eine auf dem Gleichheitsgrundsatz basierende Gesellschaft kommt ohne materielle Gerechtigkeit nicht aus. Die Unerträglichkeit ist ein anerkennenswertes Argument. Doch sie lässt sich juristisch kaum greifen. Sie ist kein Rechtsbegriff, sondern ein Gefühl und als solches nicht empirisch überprüfbar. Würde sie zum Maßstab genommen, müsste nicht nur in Mordprozessen eine Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten möglich sein, denn auch in anderen Fällen kann sich ein etwaig falscher Freispruch unerträglich anfühlen. Zudem müsste bei der Prüfung der Wiederaufnahmegründe die Schwelle der Unerträglichkeit so hoch angelegt werden, dass eine Vorverurteilung unausweichlich wäre.

Das BVerfG (E 65, 377 [380]) sieht § 362 StPO im permanenten Spannungsfeld zwischen Rechtssicherheit und dem Gebot der materiellen Gerechtigkeit, stellt aber fest, dass die »Rechtssicherheit […] von so zentraler Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit [sei], dass um ihretwillen die Möglichkeit einer im Einzelfall vielleicht unrichtigen Entscheidung in Kauf genommen werden [müsse]« (BVerfGE 2, 380 [BVerfG 01.07.1953 – 1 BvL 23/51] [403]). Das BVerfG hat Recht.

„Bausteine der Mediation“

„Bausteine der Mediation“

„Bausteine der Mediation“ – Justizministerin Niewisch-Lennartz eröffnet am 25.09.2015 den 12. Konfliktmanagement-Kongress in Hannover

„Mediation ist eine wichtige und inzwischen unverzichtbare Ergänzung des rechtsorientierten Konfliktlösungsprogramms“, stellte die Niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz bei der Begrüßung der Gäste am Vorabend des 12. Konfliktmanagement-Kongresses des Niedersächsischen Justizministeriums im Festsaal des Alten Rathauses in Hannover heraus. “Deshalb freut es mich ganz besonders, dass in den diesjährigen Foren wichtige Bausteine der Mediation in den Vordergrund gestellt werden.“

Bei dem seit 2004 jährlich in Hannover stattfindenden Kongress werden sich morgen rund 250 Fachleute, vor allem Mediatorinnen und Mediatoren, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Richterinnen und Richter, in sieben Arbeitsforen einzelnen Bereichen der Mediation zuwenden. Die Themen reichen von Mediationen bei Konflikten am Bau, der Bedeutung mimischer Signale für die Konfliktlösung über das Zeitmanagement und Wahrnehmungsfragen bis hin zum Nutzen der gewaltfreien Kommunikation und schließlich der Frage, wie die Mediation noch attraktiver gemacht werden kann.

Niewisch-Lennartz: “Hier können viele Aspekte einer interessenorientierten Streitbearbeitung in Selbstverantwortung erfasst werden. Der Konfliktmanagement-Kongress bietet die Möglichkeit dieses Bedürfnis zukünftig noch besser zu befriedigen. Ich bin sicher, die Teilnehmer werden die hier gefundenen Ergebnisse in der Praxis umsetzen können.“